Rückkehr zur traditionellen Hausfrau? Die Wahrheit über den Tradwife-Trend

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Wer diese Tage durch Social Media scrollt, kommt an ihnen nicht vorbei: An den Frauen, die stolz ihr Leben als Tradwife (traditional wife) zelebrieren. Sie lächeln in die Kamera, tragen dabei hübsche Schürzen und backen Kuchen. Dabei werden sie nicht müde immer wieder zu betonen, dass ihr einziges Lebensziel die Pflege von Heim und Familie sei, um ihren Ehemann glücklich zu machen.

Dieser Trend, der eine Rückkehr zu traditionellen Rollenbildern bewirbt, wird von seinen Anhängern als Schlüssel zu einem glücklichen und erfolgreichen Leben gefeiert.

Doch als jemand, die sich fast täglich mit dem Leben und Geschichten von Frauen aus der Vergangenheit beschäftigt, kann ich hier nur den Kopf schütteln.

Denn die Wahrheit ist: Das, was der Tradwife-Trend als perfektes Ideal verkauft, hat mit der Realität unserer Ahninnen oft bzw. fast gar nichts zu tun.

In diesem Artikel möchte ich die romantische Vorstellung hinter diesem Trend einmal genauer beleuchten und aufzeigen, was sich in historischen Dokumenten wirklich finden lässt.

Was steckt hinter dem Tradwife-Trend?

Der Begriff Tradwife beschreibt Frauen, die sich bewusst für ein Leben als traditionelle Hausfrau entscheiden. Sie widmen sich ausschließlich der Familie, dem Haushalt und ordnen sich dabei ihrem Mann unter.

Dieser Trend steht im Gegensatz zu modernen feministischen Idealen und wird oft als Antwort auf die Komplexität und den Druck der heutigen Arbeitswelt gesehen.

Ursprung haben die Tradwifes in den USA und Anfang der 2020er Jahre schwappte dieser Trend auch nach Europa.

Was wird von Tradwifes versprochen?

Der Trend verspricht ein idyllisches Familienleben voller Geborgenheit und Ordnung. Hierbei dominieren oft folgende Schlagworte:

  • Einfachheit
  • glückliche Familie
  • Sicherheit
  • Rückkehr zu den Wurzeln

Die Ästhetik mit der der Trend dann präsentiert wird, sieht dann folgendermaßen aus: Sorgfältig dekorierte Häuser, ein perfekt gekochtes und angerichtetes Essen und dabei immer ein Lächeln im Gesicht.

Es wird hier die Illusion verkauft, dass das Glück in der Abkehr der modernen Welt und in der Hingabe an traditionelle Aufgaben zu finden ist.

Das idealisierte Bild der „Tradwife“: Eine Frau backt lächelnd in einer Küche der 1950er Jahre. Bild erstellt mit Gemini

Die Wahrheit: Das, was dir keiner über „Tradwives“ aus historischer Sicht sagt

Diese stark romantisierte Vorstellung von der traditionellen Hausfrau ist ein eher modernes Konzept. Historisch gesehen war die Rolle der Frau weniger auf das Haus beschränkt, als uns Influencer heute weiß machen möchten.

Der Begriff „Hausfrau“ selbst ist, wie die Kulturwissenschaftlerin Evke Rulffes in ihrem Buch „Die Erfindung der Hausfrau“ detailliert darlegt, eine relativ junge Erfindung.

Rulffes Forschung zeigt, dass die Idee der Hausfrau als „Spezialistin“ für den Haushalt erst ab dem 19. Jahrhundert populär wurde. Vorher arbeiteten Frauen Hand in Hand mit ihren Männern in Landwirtschaft, Handwerk und Handel. Es gab kaum eine klare Trennung zwischen Heim und Beruf.

Und viele meiner eigenen genealogischen Forschungen bestätigen das:

  • Der Mythos der Hausfrau als Hauptberuf: In historischen Aufzeichnungen kommt der Begriff Hausfrau nicht vor. Es war auch keine offizielle Berufsbezeichnung. Viele Frauen arbeiteten mit auf dem Hof, im Laden, in der Hausarbeit oder verdienten auf andere Weise Geld um die Familie zu unterstützen. Ein Beispiel anhand meiner Urururgroßmutter: Sie war Hebamme, arbeite in der Schmiede ihres Mannes und arbeitete zusätzlich am elterlichen Hof mit. Ob es einem Tradwife nun gefällt oder nicht, sogar die Freifrau in meinem Stammbaum hatte neben ihrem eigenen Haushalt, dem sie vorstand, noch eine Anstellung außer Haus. Der Begriff „Nur Hausfrau“ ist ein Luxus, den sich nur wenige leisten konnten. Und auch heute noch nicht leisten können.
  • Die ökonomische Realität: Historische Dokumente zeigen, dass Frauen damals oft keine andere Wahl hatten und Geld dazuverdienen mussten. Dieser romantisch-nostalgische Gedanke, dass sie sich freiwillig nur dem Heim widmeten, ignoriert leider die harte wirtschaftliche Realität vergangener Generationen.
  • Keine Wahl, keine Freiheit: Anders als die heutigen Tradwifes, die sich freiwillig und bewusst für dieses Leben entscheiden, hatten unsere Vorfahrinnen diese Entscheidungsfreiheit nicht. Sie waren wirtschaftlich von ihrem Mann abhängig, durften nicht über ihr eigenes Einkommen verfügen und hatten keine juristischen Rechte. Das änderte sich erst in den 1970er-Jahren, aber das wäre ein Thema für einen eigenen Blogartikel.

Der Tradwife-Trend aus genealogischer Sicht

Ich möchte beim Festhalten der Familiengeschichte, die Geschichten von Menschen so erzählen, wie sie wirklich waren. Und die Geschichten unserer weiblichen Vorfahren sind voll von starken, arbeitenden Frauen

Für mich ist der Tradwife-Trend eine gefährliche Idealisierung der Vergangenheit. Es idealisiert ein Leben, das in der Realität oft geprägt war von Entbehrungen, fehlender Autonomie und auch von unbezahlter Arbeit.

Dieser Trend ignoriert die Widerstandsfähigkeit und den Mut der Frauen, die alles taten, um ihre Familien zu ernähren. Und das auch oft außerhalb des Zuhauses.

Meine Gedanken zum Schluss

Der Trend der traditionellen Hausfrau mag auf den ersten Blick zwar eine nostalgische Ästhetik bieten. Doch der wahre Wert liegt doch in der Wertschätzung der Leistung unserer weiblichen Vorfahren.

Wenn ich in alten Kirchenbüchern oder Familiengeschichten lese, sehe ich keine Frauen, die „nur“ Hausfrauen waren. Ich sehe Hebammen, Krämerinnen, Wirtinnen, Weberinnen, Müllerinnen, Arbeiterinnen, Mägde, Bäuerinnen, die Seite an Seite mit ihren Männern das Überleben der Familie sicherten.

Ihre Geschichten sind geprägt von Stärke, Belastbarkeit und harter Arbeit und nicht von romantisierter Häuslichkeit.

Gerade als Ahnenforscherin finde ich es wichtig, dass wir unsere weiblichen Vorfahren so würdigen, wie sie wirklich waren: tatkräftige Frauen, die sich ihren Platz im Leben erkämpften, auch ohne Rechte und oft ohne Wahlfreiheit.

Je mehr ich mich mit diesem Trend beschäftige, desto mehr stelle ich mir folgende Fragen:

Haben die Frauen vor uns wirklich so lange die Rechte gekämpft, die wir heute haben nur damit wir sie jetzt mit Füßen treten?

Wollen wir wirklich wieder in eine Zeit zurück in der Frauen und ihre Kinder Eigentum des Ehemannes waren?

Zurück in Zeiten in denen der Ehemann den Arbeitsvertrag der Frau unterschreiben musste?

Für mich ist es ehrlich gesagt eine erschreckende Vorstellung, dass es Frauen gibt, die das befürworten und sich in diese Zeit zurück wünschen.

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