Wenn wir morgens auf die Uhr schauen und es 5:30 Uhr ist, gehen wir selbstverständlich davon aus, dass die Zeit auch 100 Kilometer weiter gilt. Doch dass diese Selbstverständlichkeit noch gar nicht so lange Realität ist, wissen die wenigsten
Denn es ist noch nicht einmal 150 Jahre her, da gab es nach heutigen Einschätzungen innerhalb Deutschlands weit über 30 unterschiedliche Zeitzonen. Das hieß, man musste bei jeder längeren Reise ständig die Uhr umstellen und sich an die Zeit des Reisezieles anpassen.
Als jede Stadt ihre eigene Zeit hatte
Bevor es innerhalb Deutschlands einheitliche Zeitzonen gab, richtete man sich zur Zeitmessung nach der Sonne: Es war exakt 12 Uhr mittags, wenn die Sonne am höchsten stand. Doch weil die Sonne zu verschiedenen Zeiten ihren Höchststand erreicht, je nachdem, wie weit östlich oder westlich ein Ort liegt, hing diese Uhrzeit vom Längengrad ab.
Das bedeutete alle 18 Kilometer musste man die Uhr entweder 1 Minute vor oder zurück stellen. Es gab also die Münchner Zeit, die Berliner Zeit, Hamburger Zeit, Nürnberger Zeit usw. Bis heute findet man in manchen Ortschroniken noch Vermerke wie „nach Augsburger Zeit“: kleine, noch erhaltene Hinweise auf dieses Zeit-Durcheinander.
Das Chaos auf der Schiene: Die Eisenbahn drängt auf eine Lösung
Solange sich die Menschen vor allem in ihrem näheren Umkreis bewegten, war das auch kein großes Problem. Aber mit der immer weiter fortschreitenden Industrialisierung und dem immer dichter werdenden Eisenbahnnetz änderte sich das.
Die Züge mussten sich auch damals schon an Fahrpläne halten. Die Pünktlichkeit gestaltete sich aber durch die verschiedenen Lokalzeiten mehr als schwierig. Angenommen, ein Zug sollte laut Fahrplan um 10:00 Uhr von Stuttgart nach Karlsruhe abfahren und in Karlsruhe um 11:00 Uhr ankommen. Da die Stuttgarter Zeit von der Karlsruher Zeit leicht abwich, war der Fahrplan verwirrend: Wann genau musste der Lokführer seine Abfahrt in Stuttgart nach Karlsruher Zeit planen, um pünktlich anzukommen? Und welche Zeit galt für die Reisenden, die in Karlsruhe einen Anschlusszug erreichen mussten?
Das wurde sehr schnell chaotisch. Die Eisenbahngesellschaften in Deutschland sahen sich gezwungen, zumindest intern und für den Fahrbetrieb eine Art Eisenbahnzeit einzuführen, die sich oft an der Zeit der wichtigsten Städte orientierte. Doch auch das führte nur zu einem Flickenteppich verschiedener Zeiten innerhalb des Landes. An manchen Bahnhöfen hingen nun mehrere Uhren, die unterschiedliche Uhrzeiten anzeigten – die offizielle Ortszeit für die Stadt und die Eisenbahnzeit für den Zugverkehr.

Die Geburt der Mitteleuropäischen Zeit (MEZ)
Die Notwendigkeit einer gesamtstaatlichen Lösung war dringlich. Nachdem sich auf der internationalen Meridiankonferenz in Washington im Jahr 1884 bereits 25 Staaten auf eine weltweite Standardzeit und die Einteilung in 24 Zeitzonen (basierend auf dem Längengrad von Greenwich) geeinigt hatten, zog das Deutsche Kaiserreich nach.
Schließlich erließ Kaiser Wilhelm II. am 12. März 1893 das „Gesetz betreffend die Einführung einer einheitlichen Zeitbestimmung“. Dieses revolutionäre Gesetz trat am 1. April 1893 in Kraft und legte fest:
Die gesetzliche Zeit in Deutschland ist die mittlere Sonnenzeit des fünfzehnten Längengrades östlich von Greenwich.
Damit war die Mitteleuropäische Zeit (MEZ) offiziell die Standardzeit für das gesamte damalige Deutsche Reich. Von diesem Zeitpunkt an galt eine Zeit, die in Berlin maßgebend war, ebenso in München, Köln und Königsberg.

Die noch jüngere Geschichte: Sommer- und Winterzeit
Auch die Umstellung von Sommer- auf Winterzeit ist noch eine ziemlich junge Geschichte. Sie wurde schon oft abgesetzt und dann wieder eingeführt.
Die Idee, die Tageslichtstunden besser zu nutzen und Energie zu sparen, kam erstmals während des Ersten Weltkriegs auf. Deutschland führte die Sommerzeit erstmals am 30. April 1916 ein. Nach dem Krieg wurde die Sommerzeit in Deutschland jedoch wieder abgeschafft.
Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es noch kurzzeitig Sonderregelungen, doch von 1950 bis 1979 gab es in Deutschland (BRD und DDR) keine Zeitumstellung.
Ihre erneute, bis heute gültige Wiedereinführung erlebte die Sommerzeit nach längerer Pause, erst im Jahr 1980, ausgelöst durch die Ölkrise von 1973. Mit der Zeitverschiebung sollte eine Stunde Tageslicht für Unternehmen und Haushalte gewonnen und so Energie gespart werden. Die Bundesrepublik und die DDR stimmten sich politisch ab und führten die Sommerzeit zeitgleich ein.
1996 schließlich wurden die unterschiedlichen Sommerzeitregelungen in der gesamten Europäischen Union vereinheitlicht. Seitdem beginnt die Mitteleuropäische Sommerzeit (MESZ) in allen EU-Mitgliedsstaaten am letzten Sonntag im März und endet am letzten Sonntag im Oktober.
Fazit: Das Ende der Zeitreise?
Die Geschichte der Uhrzeit, wie wir sie heute kennen, zeigt, dass die Zeitmessung schon immer ein Spiegel unserer gesellschaftlichen und technologischen Bedürfnisse war. Von der lokalen Sonnenzeit über die Standardisierung durch die Eisenbahn bis hin zur energiepolitisch motivierten Sommerzeit. Die heutige Routine, zweimal im Jahr die Uhren umzustellen, ist dabei das jüngste Kapitel.
Doch die Uhrumstellung steht möglicherweise vor dem Ende. Seit Längerem diskutieren die Länder der Europäischen Union intensiv darüber, die Zeitumstellung abzuschaffen. Eine Umfrage unter den EU-Bürgern zeigte eine deutliche Mehrheit für das Ende des halbjährlichen Uhrenstellens. Die Frage, die nun im Raum steht, ist: Welche Zeit soll dauerhaft beibehalten werden?
Ob Sommer- oder Winterzeit – welche Zeit wir künftig beibehalten, ist noch offen. Doch eines zeigt die Geschichte: Die Zeitmessung war schon immer im Wandel.
Wie siehst du das? Welche Zeit möchtest du beibehalten? Sommer- oder Winterzeit?
